Der Industriefriedhof




Braunschweig ist voll von ehemaligen Fabriken, Andenken an die Zeit, als
diese Stadt eine Hochburg der deutschen Industrie war. Produkte aus
Braunschweig wurden in die ganze Welt exportiert und haben einen sehr
guten Ruf genossen. Diese Seite beschäftigt sich mit den traurigen
Überbleibsel dieser großen Tradition.




Hier am Mittelweg wurden 1,2 Millionen Fahrräder aber auch Motorräder,
Mopeds und Kinderwagen gebaut. Panther Fahrräder waren im Übersee sehr
geschätzt, weil sie sehr solide und langlebig waren. Das Management
verschlief die Entwicklungen des Marktes, der Absatz stagnierte und 1963
wurde das Werk stillgelegt




Die mechanischen Rechenmaschinen der Firma Brunsviga waren absolute
Weltspitze. Ich habe selbst mit so einer Maschine gearbeitet und lernte
sie zu schätzen.




Die schnellen Veränderungen des Marktes konnte die kapitalarme Brunsviga
nicht verkraften. Sie wurde 1959 von der Firma Olympiawerke übernommen.
Die braunschweiger Produktionsstätten gingen nach und nach ein. Sie werden
jetzt für andere Zwecke genutzt. Die ehemalige Zentrale an der Kastanien-
allee ist jetzt der Sitz der Technikerschule und der Hauswirtschaftlichen
Berufsschule.



Das sind die Herren Franke und Heidecke.



In diesem Haus Ecke Vieweg- und Charlottenstrasse haben sie 1920 angefangen
Kameras zu bauen. Ihr Ziel war es eine zweiäugige Spiegelreflexkamera zu
bauen. Die Kamera bekam den Namen Rolleiflex und die Firma hieß Rollei.





Mancher Fotograf bekommt feuchte Augen, wenn er den Namen Rolleiflex hört.
Es war ein Fotoapparat der absoluten Spitzenklasse in der Welt und der
Stolz der Stadt Braunschweig


Ende der 60er Jahre wurde die "Zweiäugige" von anderen Produkten überholt.
Rollei versuchte die Produktpalette um viele andere Modelle zu erweitern
und hat sich dabei übernommen. Heute steht der Name "Rollei" auf Kameras,
die aus Fernost kommen. Auf dem Rolleigelände an der Salzdahlumer Strasse
findet man heute das Rollei Zentrum für Existenzgründer (RZE) und es sieht
hier entsprechend traurig aus.



An der Frankfurter Strasse gab es zwei bedeutende Maschinenbauunternehmen:
Die Wilke Werke (in diesem Bild von 1930 im Vordergrund) und die Luther
Werke (in Hintergrund).



Zwei Wochen bevor die Wilke Werke in Konkurs gingen, versicherte uns die
"Braunschweiger Zeitung", dass das Unternehmen absolut gesund und ertrag-
reich ist. Über die Unschuld dieser Publikation werden wir an einer anderen
Stelle berichten



Die verlassene Fabrik bot einen traurigen Anblick. An manchen Stelle waren
die Vandalen tätig...



.. und an anderen waren zweifelhafte Firmen ansässig.



2003 wurde das 100000 m2 große Fabrikgelände eingeebnet.



Heute versucht man dort ein Einkaufszentrum zu installieren mit einem
riesigen Bau-, einen Drogerie- und einem Supermarkt..



Hugo Luther war kein besonders guter Schüler und verließ früh das
Gymnasium und fing an beim Maschinenbaubetrieb seines Vaters zu arbeiten.
Dort entdeckte man sein Talent als Konstrukteur. Er studierte Maschinenbau
in Zürich, wo es damals ohne Abitur möglich war. Vielleicht traf er dort
den anderen deutschen Nichtabiturienten Wilhelm Röntgen, der Physik
studierte. Als er 1901 starb hinterließ er ein Maschinenbauimperium.



Die Luther Werke produzierten zuletzt Rüstungsgüter. Anfang der 80er Jahre
wurde die Produktion eingestellt. Auf der Fabrikruine findet man eine der
unnützen privaten Berufsschulen, die REFA und diverse kleine Gewerbe-
betriebe.



Auf dem Fabrikgelände ist auch ein Jugendzentrum. Was würde der alte Hugo
sagen, wenn er sähe, wie seine Fabrik heute aussieht?



Heinrich Büssing war sehr geschäftiger Mensch und ein genialer Konstrukteur,
Er erwarb in seinem Leben 250 Patente. Erst baute er Fahrräder, dann hatte
eine Fabrik für Eisenbahnsignale bevor er 1903 auf die Idee kam Omnibusse
zu bauen.



Büssing Busse und Lastwagen waren sehr innovativ und wurden in fast allen
Länder der Erde verkauft. Das Logo mit dem Braunschweiger Löwen war in
allen Kontinenten bekannt.



Büssing hatte eine viel zu große Produktpalette und das drückte den Gewinn
in die Tiefe. 1962 übernahm die Salzgitter AG die Büssing AG. Das ganz
große Projekt der 60er Jahren war die Entwicklung des „Supercargo
Decklasters“. Er war der Vorgänger des heutigen ISO - Containers und er
verkaufte sehr schlecht. Die Salzgitter AG verkaufte Büssing an MAN und
MAN liquidierte Büssing über die Jahre nach und nach. Im denkmalgeschützten
Fabrikgebäude findet man jetzt eine Diskothek, diverse Kleinbetriebe und
eine der liederlichen privaten Berufsschulen. Die einzige Erinnerung an
Büssing ist der Braunschweiger Löwe an den MAN - Fahrzeugen.



Das ist Heinrich Engelhard Steinweg, der Gründer einer Dynastie von
Musikinstrumentenbauern. Obwohl er keine musikalische Ausbildung genossen
hat, hatte er eine enorme musikalische Begabung. Er emigrierte in die USA
mit seiner ganzen Familie bis auf seinen Sohn Theodor, den er in Braun-
schweig zurücklies. Dort anglisierte er sich zu Henry E. Steinway und
gründete eine sehr erfolgreiche Flügelfabrik im Griechenviertel Astoria
auf Long Island.



Der in Braunschweig zurückgebliebene Theodor Steinweg gründete seinerseits
eine Flügelfabrik. Hier wurden in aufwändiger Handarbeit einige der
feinsten Instrumente aller Zeiten gebaut. Die Bauzeit von solchen Flügeln
dauerte ein Jahr und sie waren von Virtuosen wie Arthur Rubinstein sehr
geschätzt.



Theodor war der genialste Techniker unter den Steinwegs. Er erwarb zahlreiche
Patente, wie das Patent für den hier abgebildeten Rimbiegeblock. Als seine
Familie ihn brauchte, verkaufte er 1865 seine Fabrik an Wilhelm Grotrian und
ging nach Amerika, wo er Theodore Steinway hieß. Die Fabrik hieß nun Steinweg
- Grotrian. Theodor kam zurück nach Braunschweig, um seine alten Tage zu
verbringen. Er wurde Mitglied der Bande der „Kleidersellern“ um Wilhelm Raabe.




Heute werden keine Steinweg Flügel mehr in Braunschweig gebaut. In der
ehemaligen Steinweg Grotrian Fabrik findet man heute diverse Institute
der Technischen Universität. Ein teil der alten Fabrik wurde abgerissen,
um Platz für der Neubau des Chemiegebäudes der TU zu machen. Ähnliches
passierte mit dem alten Bauten der Pianofabrik Schimmel. Dort findet man
die Räume einer Aussenstelle der besten Berufsschule der Stadt.



1898 hatte Johann Andreas Schmalbach eine großartige Idee. Mit einer
neuartigen Dose wollte er Spargelkonserven herstellen. Daraus entwickelte
sich ein Riesenkonzern. Dem Konzern geht es noch gut, nur die Dosen werden
jetzt in Billiglohnländern produziert. Der verblichene Schriftzug
erinnert noch an Johann Andreas Schmalbach. In den fetten Jahren
beschäftigte Schmalbach 7000 Menschen in Braunschweig. Wären diese
Arbeitsplätze erhalten geblieben, gäbe es heute in der Stadt so gut wie
keine Arbeitslosigkeit.



Das ist Johann Christoph Voigtländer. Er gründete in Wien eine Fabrik für
optische Instrumente, die später nach Braunschweig umgezogen ist. Als im
19. Jh. die Fotografie erfunden wurde, fing Voigtländer an, Objektive
herzustellen. Voigtländers Objektive waren revolutionär, weil sie die
ersten Objektive waren, die mathematisch berechnet wurden.Mehr als 100
Jahre lang wurden in Braunschweig feine Kameras und Objektive hergestellt



Die Massenproduktion fand in diesem Gebäude an der Campestrasse statt, als
die Fa. Voigtländer von der Schering AG übernommen wurde. Als sich die
Produktion steigerte, zog man an die Gliesmaroder Strasse um. Das Gebäude
an der Campestrasse wurde später die braunschweiger Zentrale der AEG
(auch ein trauriger Fall). Heute findet man dort eine Reihe von kleinen
Betrieben.



Nach dem 2. Weltkrieg baute man an der Gliesmaroder Strasse fleissig
Kameras weiter. Das Unternehmen blieb ertragschwach und Schering verkaufte
Voigtländer an die Zeiss Ikon AG. Zeiss löste die Voigtländer AG auf und
einige Jahre später wurde die Produktion in Braunschweig stillgelegt. Auf
dem großen Voigtländer Fabrikgelände residieren viele kleine Handwerks-
und Handelsbetriebe und und riesiger Supermarkt. Der Name Voigtländer
existiert weiter. Die Firma Ringfoto hat die Namensrechte gekauft und
klebt diesen edlen Namen auf Geräte, die nichts mit den feinen Produkten
aus Braunschweig zu tun haben.



Habe ich die Jutespinnerei oder die stillgelegte Mühle vergessen? Nein!
Der Platz, der hier zur Verfügung steht, reicht nicht, um alle diese
Industriegräber aufzuzählen, die überall in dieser feinen Stadt zu finden
sind.